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Das equine metabolische Syndrom - ein Fallbeispiel

01. Oktober 2024

Gastbeitrag von Henrike Shert, Vetscreen

Mit diesem Fall nehme ich Euch mit in die Welt der Stoffwechselerkrankungen bei Pferden. Und weil ich Euch von so viele Pferden berichten könnte, die entweder ein Muskelstoffwechselproblem, ein Hormonproblem oder ein Problem mit Ihrem Insulinstoffwechsel haben, hab ich mich für letzteres entschieden.
 
Als gelernte Ernährungsberaterin für Pferde ist neben der Palpation, die Pferdewaage einer meiner wichtigsten Instrumente um Pferde in ihrem Ernährungszustand einzuschätzen.
 
In diesem Fall geht es um eine 11-jährige Norwegerstute, die im Mitte Dezember die Pferdewaage betrat. Kompakt, eigenwillig und nimmersatt. An diesem Tag brachte die 1,45 m große Stute satte 541 kg auf die Waage. Deutlich zu viel. Die Stute war stark adipös mit einem enormen Fetteinlagerungen am Hals und der Kruppe. Als ich der Besitzerin das eigentliche Normgewicht Ihrer Stute vorrechnete, war diese baff und starte verzweifelt auf die Waage. Was tun?
 
Um der Stute zu helfen entschloss die Besitzerin gemeinsam mit ihrer THP die Fütterung und die Haltung umzustellen und anzupassen. In Kooperation erarbeitete wir einen Ernährungs- und Bewegungsplan um die überschüssigen Pfunde purzeln zu lassen.
  • Geschlecht: Stute
  • Rasse: Norweger
  • Alter:  11 Jahre
  • Stockmaß: 1,45 m
  • Gewicht Ist (Pferdewaage): 541 kg
  • Gewicht Soll (rechnerisch Ermittelt): 430 kg

Anamnese Pferd

  • verminderte Leistungsfähigkeit, Stute wirkt müde
  • Fettdepots an Schweifansatz, Hals und auf den Rippen
  • Gallen an den Hinterbeinen
  • CrestyNeckScore 4, Kamm erweitert und verdickt, füllt mehr als eine Hand, geringe Seitenbewegung möglich
  • BCS 6 (Body Condition Score nach Carrol & Huntington), ausgeprägter Kamm, breit und fest, Ansatz von Fettfalten, Rippen nicht tastbar, Rinnenbildung am Rücken, Hüfthöcker nicht mehr tastbar.

Futter

  • Heu ad libitum, Heuraufe 4 Fressplätze
  • Leckerlis
  • wenn Besitzerin da, 300 g Mash mit Karotten und Äpfel
Haltung
  • Offenstall mit 2 anderen Stuten, wenig Bewegungsanreize
  • Winter nur Offenstall, Sommer ca. 2 Stunden nachmittags auf Weide
Bewegung
  • Grundbewegung Offenstall (keine Bewegungsanreize, Pferd steht an Heuraufe, andere Pferde auch zu dick)
  • Zusätzliche Bewegung ca. 1 Stunde pro Woche. Geführter Schrittausritt mit kleiner Tochter
Aus der Anamnese wird bereits ersichtlich das die zugeführte Energie den Bedarf um ein vielfaches überschreitet. Um Bunny effektiv und ganzheitlich helfen zu können sind einige Untersuchungen erforderlich. Diese umfassen Blut,- und Futtermittelanalysen.

Therapie

Labordiagnostik
Bunnys Blut wurde auf die Parameter Insulin, Triglyceride, SAA, und Glukose untersucht. Bei der Stute zeigte sich eine Hyperinsulinämie, die Leberwerte waren erhöht und der Glukosewert lag ebenfalls geringfügig über der Norm.

Da die Stute vor oder während der Blutabnahme weder Stress noch Zugang zu Futter hatte liegt der Verdacht nahe, dass Bunny bereits eine Insulinresistenz entwickelt hat. Im Zweifel könnte man zusätzlich das EMS-Screen machen, um eine Insulinresistenz eindeutig zu diagnostizieren.

Heuanalyse
Die Heuanalyse ergab einen Gesamtzuckergehalt von 13%. Der Anteil an dünndarmverdaulichem v Protein lag bei 3,4% je Kilogramm Trockenmasse. Für EMS Pferde sollte der Gesamtzuckergehalt des Heus < 10% sein. Eine Proteinzulage in der Diätration macht Sinn.
Bewegung
Da alle alle Stuten dieser Gruppe übergewichtig sind, konnten wir das neue Fütterungs- und Haltungskonzept sehr gut und relativ leicht umsetzen. Von der Heuraufe aus wurden Zäune aufgestellt, die die Laufwege zur Raufe verlängern. Baumstämme wurden an zwei der drei Durchgänge gelegt um von den Stuten mehr Bewegung zu fordern.
Da die Besitzerin von Bunny wenig Zeit unter der Woche hat wurde ein Reitbeteiligung gesucht, welche Bunny circa viermal pro Woche für 1 – 2 Stunden ins Gelände reitet.

Futtermangement
Die Stute nimmt jeden Tag etwa 40 Megajoule an metabolisierbarer Energie (MJ ME) zu viel auf. Der Erhaltungsbedarf der Stute liegt bei 45 MJ ME, die tatsächliche Aufnahme an Energie ist doppelt so hoch und liegt bei über 80 MJ ME pro Tag. Durch die fehlende Bewegung wird die Stute innerhalb kürzester Zeit übergewichtig.

  • Um den Energiegehalt der Gesamtration zu reduzieren bekommt Bunny seither ein Heu-Stroh-Gemisch in engmaschigen Heunetzen mit einer Maschenweite von 3 cm angeboten, wobei sie einmal am Tag 1,5 Kg loses Heu-Stroh-Gemisch vom Boden fressen soll, um alle physiologischen Verdauvorgänge zu gewährleisten.

  • Das Heu wird restriktiv gefüttert, in einem Verhältnis von 1,5 kg Heu pro 100 Kg Lebendmasse und 0,4 kg qualitativ hochwertigem Stroh pro 100 kg Lebendmasse. Um Obstipationen zu vermeiden sollte der Anteil des Strohs in der Ration nicht über 30% liegen.

  • Die Stute bekommt seit der Futterberatung täglich ein hochwertiges Mineralfutter, welches auf den Bedarf von EMS Pferden abgestimmt ist.  Ein besonderes Augenmerk legten wir dabei auf die Versorgung mit Mangan, Zink, Vitamin E und Vitamin C.

  • Um dem Abbau der Muskulatur während der Diät entgegenzuwirken bekam sie zusätzlich Spirulina gefüttert. Diese hält ein sehr gutes Aminosäuremuster bereit und wirkt positiv auf den Insulinstoffwechsel.

  • Um den Fettstoffwechsel anzuregen erhält die Stute zusätzlich Maitake Extrakt, ein Vitalpilz der erfolgreich bei Adipositas und Diabetes eingesetzt wird. Auf die Weide darf Bunny erst wieder, wenn das Normgewicht erreicht ist.

FAZIT
Wir gehen davon aus, dass die Stute in der ersten Zeit langsam abnimmt, da der Stoffwechsel sehr träge ist und die Bewegung aufgrund des Übergewichtes nur langsam gesteigert werden kann. Wünschenswert wäre nach 6 bis 7 Monaten ein Gewicht von etwa 500 Kilogramm.