Geschundene Gefährten
Gesundheitliche Probleme durch Zucht und Auswege für eine bessere Zukunft für Hunde und Katzen
Gastbeitrag von Prof. Dr. Achim Gruber, Berlin
Alle Tierheilberufe sind über die letzten Jahre und Jahrzehnte mit teils besorgniserregend zunehmenden Gesundheitsproblemen infolge von verantwortungsloser Zucht konfrontiert. Besonders schön, niedlich oder extravagant gezüchtete Hunde und Katzen leiden unter Atemnot, Allergien der Haut oder des Verdauungs-traktes, Ohrenentzündung, Epilepsie, Nervenleiden, diversen Gelenkerkrankungen oder früh und häufig auftretendem Krebs. Die Liste wird immer länger, denn die moderne Genetik mit schnellen und hoch effektiven Erbgutanalysen deckt nun auf, was durch Zucht angerichtet wurde.
Bei Hunden kennen wir heute weit über 80 Krankheiten und Sinnesstörungen, die als Nebenwirkungen von beliebten Zuchtzielen entstanden sind. Da viele Körperformen, Größen, Farben und anatomische Details ungesund und naturfern durch Zucht verändert wurden, haben sie teils starke funktionelle Einbußen erlitten. Erst die seit rund 150 Jahren praktizierte Reinzucht auf herausragende Äußerlichkeiten bei gleichzeitiger Vernachlässigung ihrer Gesundheit hat aus ehemals gesunden und robusten Hunden mit „Berufen“ vielfach degenerierte Schönheiten, Kindersatz und Kuriositäten gemacht. Zusätzlich hat die in vielen Hunderassen stark übertriebene Inzucht zu einer weiten Verbreitung von über 500 Erbkrankheiten mit oft tödlichen Ausgängen geführt.
Neben den am stärksten betroffenen Hunden sehen wir ähnliche Entwicklungen bei manchen Katzenrassen, Kaninchen, anderen „kleinen Heimtieren“ sowie Ziervögeln und selbst bei Reptilien, etwa Leopardgeckos. Unsere heutige reinrassige Zucht frisst ihre eigenen Kinder. Der Skandal: Viele aktuelle Zuchtformen verstoßen seit 2013 eindeutig gegen das deutsche Tierschutzgesetz – und kaum jemand tut etwas dagegen! Auch ist völlig unverständlich, warum viele der krankmachenden Zuchtziele in den offiziellen Rassestandards und Vorschriften der Zuchtverbände immer noch gefordert werden, was eindeutig zu einem Gesetzesbruch anleitet. Der so genannte „Qualzuchtparagraf“ 11b des Tierschutzgesetzes soll daher nun verschärft werden.
Während sich manche traditionellen Zuchtverbände noch vehement gegen gesundheitsfördernde Maßnahmen wehren und mit Parolen wie „Der deutsche Dackel soll verboten werden“ irrigerweise Panik gegen geplante Änderungen auszulösen versuchen, zeigt die Wissenschaft vielversprechende Auswege auf. So müssen manche Rassen nur etwas anders aussehen dürfen, um wieder viel gesünder zu werden. Möpse brauchen eine längere Nase, die Riesenrassen müssen wieder kleiner gezüchtet werden und Dackel brauchen etwas längere Beine. Gerade am Beispiel des Dackels können wir heute erleben, wie jüngste genetische Forschungen helfen können: Der Gendefekt, der gleichzeitig die extrem kurzen Beine und das hohe Risiko für seine Bandscheibenerkrankungen und Querschnittslähmungen verursacht, kann
heute leicht getestet und durch Zucht eliminiert werden. Wir müssen uns nur noch daran gewöhnen, dass solche lebenslang rückengesunden Dackel wenige cm längere Beine haben werden. Ähnliche Veränderungen müssen wir vielen anderen Rassen und Haustierarten „verschreiben“, je nach ihren spezifischen Zuchtdefekten.
Ein zweiter, wichtiger Ausweg ist die Lockerung des strikten Reinrassegebotes: Die vielfach völlig ingezüchteten Rassen müssen durch sporadisches Einkreuzen von behutsam ausgewählten anderen Rassen oder gar Mischlingen mit gesunden Genen aufgefrischt werden. Dabei muss keine Rasse abgeschafft werden! Gerade solche Maßnahmen schützen vor dem Aussterben der Rassen, wogegen ein „Weiter so“ dramatische Konsequenzen für viele hätte. Die gute Nachricht ist, dass es für viele der hier vorgeschlagenen Auswege bereits gesundheitsbewusste Zuchtinitiativen gibt, die als Leuchtturmprojekte den Weg aufzeigen und erste positive, wertvolle Erfahrungen sammeln.
Aber wo können sich Kaufinteressierte seriös informieren, wie es um welche Rasse steht, wie man den noch zögerlichen Teil der Züchterschaft motivieren kann und wie man den noch betroffenen, aktuellen „Defektzuchten“ selbst am besten helfen kann? Sind Designerdogs die Lösung, also Labradoodle, Maltipoo & Co.? Und kann moderne Gentechnik helfen? Alle Details, Hintergründe, Zusammenhänge und Auswege sowie viele wertvolle Informationsquellen bietet das Sachbuch „Geschundene Gefährten“. Es ist für alle Laien leicht verständlich geschrieben und regt auf eine unterhaltsame, nicht-vorwurfsvolle Art mit zahlreichen Tier- und Menschengeschichten zum Umdenken im Umgang mit unseren Haustieren an:
Machen Sie mit, damit aus geschundenen wieder geschätzte Gefährten werden!
Ihr Achim Gruber
Wer mehr zum Thema lesen möchte, findet viele Infos auf den Seiten von QUEN (Qualzucht-Evidenz Netzwerk).
Der Autor
Prof. Dr. Achim Gruber ist Tierarzt, Direktor des Instituts für Tierpathologie an der Freien Universität Berlin und Sachbuchautor.