Epilepsie
"Gewitter im Gehirn" - Epilepsie beim Hund
Auszug aus der Facharbeit unserer ehemaligen Schülerin Marion Schieffer.
Epilepsie, auch Fallsucht genannt ist eine chronische Erkrankung, die auf einer Funktionsstörung im Gehirn beruht.
Es ist eine rasseübergreifende Funktionsstörung, die bei 1 - 2% aller Hunde auftritt. Eine anormale, nervliche Erregungsbildung im Gehirn löst sogenannte epileptische Anfälle aus. Sie können in unterschiedlicher Form auftreten: Sie erscheinen als Krämpfe (Crampi), unwillkürliche Bewegungsabläufe oder auch Dämmerzustände, die zuvor nicht durch äußere Ursachen (wie Stromschläge, Vergiftungen, akute Entzündungen) hervorgerufen wurden. Im Gehirn führen überschießende Entladungen von Nervenzellen (Neuronen) zu den typischen, für uns erkennbaren Krampfanfällen oder auch anderen erkennbaren Verhaltens- und Befindungsstörungen.
Das Zentralnervensystem (ZNS) hat die Aufgabe, die verschiedenen Zellgruppen des Körpers miteinander zu verbinden und deren Leistungen aufeinander abzustimmen. Es stellt also ein Kommunikations- und Korrelationssystem dar. Im Rahmen dieser Gesamtfunktion lassen sich verschiedene spezielle Leistungen unterscheiden. Ein Teil des ZNS bewirkt, dass die Muskeltätigkeit auf verschiedene Umwelteinflüsse eingestellt wird und gleichzeitig einer Willkürkontrolle unterliegt. Die Gesamtheit dieser Strukturen wird als motorisches System bezeichnet.
Andere Teile des ZNS besitzen die Fähigkeit, Signale aus den niederen und höheren Sinnesorganen aufzunehmen, weiterzuleiten und zu bewussten Empfindungen und Wahrnehmungen zu verarbeiten. Sie bilden zusammen das sensorische System.
Ein dritter Anteil des ZNS dient schließlich dazu, speziell die Funktionen innerer Organe aufeinander abzustimmen. Diese Strukturen werden unter dem Begriff vegetatives Nervensystem zusammengefasst. Die Funktionen aller genannten Teilsysteme des ZNS sind unter physiologischen Bedingungen eng miteinander verknüpft. Sie lassen sich daher nur unter starker Vereinfachung der tatsächlichen Zusammenhänge voneinander trennen. Eine solche Abstraktion ist jedoch notwendig, da erst die Analyse der verschiedenen Einzelfunktionen zu einem Verständnis der integrativen Gesamtleistung des Zentralnervensystems führt.
Wie zahlreiche Untersuchungen ergaben, setzt sich das ZNS aus einzelnen Nervenzellen (Neuronen) zusammen, die nicht nur morphologische (der Form nach), sondern auch funktionelle Einheiten darstellen. Die Arbeitsweise dieser Elementarstrukturen ist dabei in allen Systemen des ZNS ähnlich und bildet die Grundlage der speziellen zentralnervösen Leistungen.
Die Nervenzelle (Neuron) ist die kleinste funktionelle Einheit des Nervengewebes. Sie besteht aus einem Zellkörper und ihren Fortsätzen, Dendriten und Neuriten (Axonen), welche die elektrischen Impulse der Erregung empfangen und fortleiten. Die Reizweiterleitung erfolgt immer nur in eine Richtung.
Die Synapse ist die Umschaltstelle für die Weitergabe der Erregung von einem Nerv zum anderen. Die Übertragung der elektrischen Impulse erfolgt mit Hilfe chemischer Überträgersubstanzen (Neurotransmitter). Je nach Art des Neurotransmitters werden erregende oder hemmende Reize an die postsynaptische (empfangende) Membran weitergegeben.
Anfallstypen
Die Neuronen (Nervenzellen) bilden mit den sie umgebenden anderen Zellen des Gehirns ein komplexes Geflecht, das mit zahlreichen chemischen Reaktionen und elektrischen Entladungen permanent beschäftigt ist. Verschiedene Botenstoffe (Hormone wie Adrenalin z. B.) fördern dabei die Aktivität der Neuronen und wiederum andere Botenstoffe (Hormone wie Noradrenalin z. B.) hemmen sie. In der Regel sorgt das physiologische Gleichgewicht aktivierender und hemmender Kräfte für die übliche Balance der Hirnaktivität.
Gerät dieses fein abgestimmte Gleichgewicht an Aktivität und Hemmung außer Kontrolle und bewirken die aktivierenden Botenstoffe plötzlich eine extreme Steigerung der Aktivität, kommt es zu massiven elektrischen Entladungen zahlreicher Neuronen gleichzeitig. Dann kann man diese außer Kontrolle geratene Entladung auch mit einem Gewittersturm gleichsetzen und der epileptische Anfall ist entstanden.
Manche epileptischen Anfälle beginnen mit einer Aura, was bedeutet, dass ungewöhnliche Sinneseindrücke dem Anfall vorgeschaltet sind. Bei Hunden ist dies dann häufig durch ein Schmatzen, vermehrtes Speicheln, Unruhe und unwillkürlichen, stereotypen Verhaltens- und Befindungsstörungen zu erkennen. Manchmal lassen die Aura- Symptome Rückschlüsse auf die Hirnregion zu, in welcher sich der Anfall entwickelt hat. Abhängig davon, ob Neuronenentladungen auf einen Teilbereich des Gehirns beschränkt bleiben oder das gesamte Gehirn betroffen ist, spricht man von einer generalisierten oder partiellen Form des Anfalls. Die wichtigste Aufgabe des Tierbesitzers, der seinen Hund durch einen epileptischen Anfall begleitet, ist der Blick auf die Uhr. Die Dauer eines Anfalls ist ein entscheidendes Kriterium für die einzuleitenden Maßnahmen. Bei den meisten Anfällen handelt es sich um Krämpfe zwischen ein und zwei Minuten, allerdings sind auch Anfälle von mehr als fünf Minuten nicht ungewöhnlich.
Wenn mehrere Anfälle ohne vollständige Erholungsphasen und ohne Wiedererlangung des Bewusstseins auftreten, befindet sich der Hund im Status epilepticus, einem lebensbedrohlichen Zustand, der medikamentös unterbrochen werden muss (z. B.: Diazepam, Rektiolum, Rectodelt). Es handelt sich um einen akuten Notfall, da wichtige Steuerungsfunktionen im vegetativen Nervensystem ausfallen können, die zum Beispiel die Atmung oder den Blutdruck kontrollieren. Kommt es innerhalb von 24 Stunden zu mehreren Anfällen, die aber zeitlich durch deutliche Erholungsphasen unterbrochen wurden, spricht man von Serienanfällen (Cluster), einer Folge von einzelnen, aufeinander folgenden Anfällen, die zeitlich versetzt aufgetreten sind.
Als Auslöser für das plötzliche Ungleichgewicht der hemmenden und aktivierenden Kräfte im Gehirn des Hundes können verschiedene Ursachen die Auslöser sein.
Durch die wissenschaftlichen Studien ist die genetische Disposition, also die Erblichkeit (primäre Auslöser) der idiopatischen Epilepsie, längst schon bewiesen. In der Praxis zeigt sich, dass gewisse Rassen wie Cocker Spaniel, Golden Retriever, Berner Sennenhunde etc. eine vermehrte Anfälligkeit für Epilepsien zeigen. Allerdings herrscht für diese neurologische Problematik bei den Züchtern nur wenig Verständnis. Mit Hilfe eines Gentests könnte der Züchter vor der Verpaarung der Blutlinien Aufschluss über die Wahrscheinlichkeiten der Epilepsie erhalten, was eine umfassende Ausschlussdiagnostik verzichtbar machen und somit einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung dieser Krankheit leisten würde. Sicherlich spielt hier die Vererbung eine wichtige Rolle, aber auch eine genetische Disposition zieht nicht zwangsläufig einen Ausbruch dieser Erkrankung nach sich.
Aufgrund der bestehenden Interaktion zwischen Human- und Veterinärmedizin stellt der Hund quasi ein Modell für den Menschen dar. Es gibt bereits gemeinsame Projekte insbesondere im Bereich der Genetik. Die vergleichende Forschung gewinnt zunehmend an Bedeutung, denn bei Mensch und Hund stellt die Epilepsie ein gleich großes Problem dar. Es wurde beim Hund ein mit Epilepsie assoziiertes Gen entdeckt, das auch für die Epilepsie beim Menschen relevant ist. Nur im therapeutischen Bereich ist die Vergleichbarkeit zu vernachlässigen. Der Hund hat einen anderen Stoffwechsel als der Mensch. Dadurch ist bei vielen Medikamenten aus dem Humanbereich die Verweildauer im Körper des Hundes zu kurz und somit kann die gewünschte Wirkung ausbleiben. Die Wirkweise infrage kommender Medikamente aus der Humanmedizin ist also anhand von aussagekräftigen Studien und Untersuchungen vor dem Therapieeinsatz beim Hund gründlich zu erforschen.
Ist ein Hund an Epilepsie erkrankt, bedeutet die Betreuung dieses epilepsiekranken Hundes für die Tierbesitzer eine enorme Herausforderung, mit der sie ungewollt konfrontiert werden. Der erkrankte Hund bleibt sein Leben lang ein Sorgenkind und benötigt die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Besitzer. Wenn dieser Hund vom Tierarzt medikamentös eingestellt wurde, bedarf es vonseiten des Besitzers einer genauen und korrekten Dosierung des Medikamentes und einer zeitlich festgesetzten Verabreichung in einem recht engen Zeitfenster. Die Medikation ist für den Hund lebenswichtig, um sein Anfallsleiden auf ein Minimum zu reduzieren, die Dauer der Anfälle so kurz wie möglich und die Anfallshäufigkeit so gering wie möglich zu halten.
Als sekundäre Auslöser vermutet man eine sogenannte multifaktorielle Genese (verschiedene Ursachen werden in Betracht gezogen). Dies bezieht sich nicht nur auf die idiopathische (primäre) Epilepsie, die etwa 80% der Epilepsiefälle beim Hund ausmacht. Auch bei der sekundären Epilepsie sind verschiedenste Faktoren - oft auch gleichzeitig - auslösend für den Ausbruch der Erkrankung. Diese Anzeichen gilt es klar zu erkennen, möglichst zu vermeiden und sich individuell fütterungs-, haltungs- und pflegetechnisch darauf einzustellen.
Für alle geschilderten Epilepsieformen, die primären und sekundären und die generalisierten und partiellen Anfälle, können zahlreiche Auslöser in Frage kommen. So ist auch für die Epilepsie der Faktor Stress in all seinen Facetten ein überaus ernst zunehmender Faktor. Stress ist allerdings immer nur ein Auslöser und nie die Ursache!
Weiterhin können aber auch Herzfehler, Traumen (Thrombosen, Blutungen), Anomalien (Hydrozephalus = Wasserkopf), Neoplasien (Metastasen, Meninginome = Tumor der Hirnhaut), Blockaden im Hals (verursachen Druck auf die Schilddrüse durch permanentes Ziehen an der Halsung), Durchblutungsstörungen, hormonelle Störungen (Diabetes mellitus), schilddrüsenbedingte Entgleisungen (Hypothyreose, Hyperthyreose), Impfreaktionen, Antibiotikagabe (verstärkt nach dem Wirkstoff Gentamyzin), Vergiftungen (Umweltgifte), Schneckengifte (Metaldehyd) und Rattengifte (Strychnin), Spot-on (Zecken- und Flohprophylaxe), Parasiten (z. B. Wanderlarven), medikamentenbedingte Störungen, Teletakt (elektronisches Dressurhalsband) zu den Ursachen gehören.
Bei den Vergiftungen der Hunde ist an dieser Stelle besonders zu erwähnen, dass es vielen Tierbesitzern bis heute noch nicht klar ist, dass sie ihre Tiere Jahr für Jahr durch Floh-, Zecken- und Wurmmittel regelrecht vergiften. Bei den Wirkstoffen dieser Gruppen handelt es sich um Nervengifte (z.B. Botulinum), die durch das Passieren der Blut-Hirnschranke zu schweren neurologischen Ausfällen, wie eben der Epilepsie, führen können. Alleine das Fressen von Kuh- oder Pferdekot von Tieren, die zuvor mit Mitteln des Wirkstoffes Ivermectin behandelt wurden, führte und führt auch heute noch zu Todesfällen. Aber auch die Aufnahme von Schokolade (Theobromin) kann zu Vergiftungen führen und ist als Auslöser nicht außer Acht zu lassen. Auch gibt es eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, dass synthetische Duftstoffe (Waschmittel, Deos, Weichspüler, Reinigungsmittel (hier: Phosphorsäureester) etc. als Auslöser der Anfälle infrage kommen können. Unter diesen Umständen ist eine gründliche Analyse der Lebens-, Haltungs- und Fütterungsbedingungen unerlässlich und eminent wichtig, da es sich bei den möglichen Ursachen meist um multifaktorielle Auslöser handelt. Erst die genaue und komplexe Erforschung führt zur Erlangung eines Gesamtbildes, die dem Hund in seinem weiteren Krankheitsverlauf eine bestmögliche Unterstützung gewährleisten kann.
Wird einem Tierarzt ein Hund mit Verdacht auf Epilepsie vorgestellt und dieser dann anhand der Vorgeschichte den Verdacht auf ein Problem des Nervensystems hat, wird er zuerst eine Allgemeinuntersuchung und je nach den Befunden eine Blutuntersuchung vornehmen, um stoffwechselbedingte Ursachen auszuschließen. So können zum Beispiel Leber- und Nierenerkrankungen zu epileptischen Anfällen führen und die Grunderkrankung liegt in diesem Fall nicht im Gehirn. Bei der neurologischen Untersuchung beurteilt der Tierarzt das Bewusstsein und das Verhalten des Tieres, erkennt Gangabnormalitäten und untersucht mit spezifischen Tests die verschiedenen Reflexe, Nervenfunktionen, Empfindsamkeiten und Koordinationsmechanismen. Man muss sich bewusst sein, dass bei der Erhebung des neurologischen Zustandes fast ausnahmslos nur Gang, Reflexe, Empfindungen und Augenbewegungen geprüft werden können. Bei der Beurteilung des Verhaltens und des Bewusstseins ist der Tierarzt auf die Angaben des Besitzers angewiesen.
Um dem zu behandelnden Hund eine bestmögliche Unterstützung zu bieten, würde der Tierarzt auf die Epilepsiemedikamente aus dem Humanbereich zurückgreifen. Zur Standardbehandlung beim Hund kommt hier der Wirkstoff Phenobarbital (Luminal vet, Luminaletten, Phenoleptil usw.) zum Einsatz. Viele an Epilepsie leidende Hunde lassen sich damit sehr gut einstellen, sogar bis zur tatsächlichen Anfallsfreiheit, aber leider nicht alle. Allerdings rechtfertigt eine deutliche Reduzierung der Anfälle und insbesondere des Status epilepticus diese Verabreichung bei einer insgesamt guten Verträglichkeit.
Wirkt das Phenobarbital jedoch nur unbefriedigend, wird es gerne mit Kaliumbromid (Kalii bromidum PhEur, veraltet Kalium bromatum) kombiniert. Kaliumbromid war eines der ersten Antiepileptika, das bereits im 19. Jahrhundert eingesetzt wurde. Es wirkt sedierend und erhöht die Krampfschwelle. Seit Februar 2013 ist das neue Antiepileptikum Pexion mit dem Wirkstoff Imepitoin in Deutschland zur Therapie der idiopatischen Epilepsie zugelassen. Das ist kein Sedativum, sondern ein auf den Rezeptor im Gehirn wirkender Wirkstoff. Eine Wirkweise, die übrigens auch dem Diazepam zugrunde liegt.
Komplementärmedizinische Behandlungsmöglichkeiten wie Homöopathie, Akupunktur, Mikronährstofftherapie (MNT), Bach-Blüten-Therapie, Schüsslersalze oder die Verabreichung von Heilpilzen bergen nicht die unüberschaubaren Nebenwirkungen wie bei den schulmedizinischen Therapien. Auch fällt für mich die Futteroptimierung mit in diesen Bereich, auch wenn kein hochwirksames Einzelfuttermittel für dieses Krankheitsbild zur Verfügung steht.
Die naturheilkundlichen Therapieformen greifen nicht nur symptomatisch in den Organismus des Hundes ein, sondern wirken allumfassend und könnten sich dadurch positiv auf das Anfallsgeschehen des epilepsiekranken Hundes auswirken.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich das Anfallsgeschehen eines epilepsiekranken Hundes durch zahlreiche medikamentöse Therapien, durch naturheilkundliche Heilmethoden sowie fütterungsbegleitende Maßnahmen unterstützen lässt. Die medikamentösen Therapien stehen mit ihren Wirkungen und Nebenwirkungen auf der einen Seite als eher klassische Variante zur Verfügung. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die dauerhaft verabreichten Medikamente homöopathisch ausgeleitet werden, damit der Organismus regelmäßig entgiftet und entlastet wird.
Auf der anderen Seite stehen die naturheilkundlichen Heilmethoden, die für den Organismus erst gar keine Belastung bedeuten und nebenwirkungsfrei bzw. nebenwirkungsarm sind, möglicherweise aber dem Hund nicht immer die gewünschte Anfallsminimierung oder sogar Anfallsfreiheit garantieren können. Eine kombinierte, ganzheitliche Behandlung sollte bei diesem Krankheitsbild angestrebt werden und wird als sinnvoll angesehen. Wer Fragen zum Inhalt dieses Artikels hat, kann sich gerne mit mir in Verbindung setzen unter
Tierheilpraktikerin
Marion Schieffer
Im Heidekamp 13
59555 Lippstadt
www.tierheilpraxis-schieffer.de
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